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Wie man in kreativen Projekten richtig um Feedback bittet. Ein Leitfaden.

  • Autorenbild: Oliver Rodrigues J
    Oliver Rodrigues J
  • 9. Apr.
  • 5 Min. Lesezeit
Ich habe neulich eine 2-Sterne-Google-Bewertung eines Cafés gelesen. Da stand sinngemäß: „Kaffee war ok, aber zu teuer. Am Kuchen gab es nichts auszusetzen.“

@jontyson
@jontyson

Ich glaube, das ist das deutscheste Feedback, das man geben kann. Das eine ist gerade noch so in Ordnung, an dem anderen findet man nichts auszusetzen, obwohl man es gerne tun würde.


Es ist menschlich, Dinge bewerten zu wollen. Menschen haben oft das Bedürfnis nach sozialer Bestätigung. Wenn sie eine Bewertung abgeben, hoffen sie, dass ihre Meinung geschätzt wird. Vor allem, wenn andere Nutzer ihre Bewertung als hilfreich empfinden. So werden dann einige ganz schnell zu Kaffee-Expert:innen. In meinem Beispiel ging es um Specialty Coffee, also eine Kaffeekategorie, die sich durch besondere Qualität in Bezug auf Anbaubedingungen, Verarbeitung und Zubereitung auszeichnet.


Das muss man nicht wissen, wenn man z.B. zufällig in ein solches Lokal gerät und sich einen Filterkaffee to go bestellt. Der kann dann schon mal 7 Euro kosten und schmeckt dann auch mal eher wie schwarzer Tee. Daran verschluckt man sich dann gerne auch mal und möchte seine Meinung dazu kundtun um die Selbstwirksamkeit zu stärken und das Café vielleicht zu besseren Preisen zu „erziehen“. Und wenn wir schon dabei sind, vielleicht geht da ja noch was beim Kuchen...


Das Problem mit dem vernichtenden Feedback ist, dass niemand (richtig) danach gefragt hat.


Die Person scheint nicht mit den Preisen von Specialty Coffee vertraut gewesen zu sein und es wäre gut zu wissen, ob die Person diese Art von Kaffee überhaupt kennt und mag. Wenn es sich um eine neue Erfahrung handelte, wäre eine gute Frage gewesen: „Was hast du nach deinem ersten Besuch in einem Specialty Coffee Café über die Vielfalt von Kaffee gelernt?“ oder „Wie würdest du den Geschmack unseres Kaffees beschreiben? Welche Aromen sind dir aufgefallen?



Okay, ich träume wieder, so ist Google nicht aufgebaut und das funktioniert so nicht. Das würde Google mit weniger Engagement der Besitzer bezahlen, die ja ihre volle Punktzahl erreichen wollen und damit hätte Google weniger Werbeeinnahmen und weniger Daten. Das wäre zu fair. Google hat kein Interesse an konstruktivem Feedback. Google will lieber den „Krieg der Sterne“.


Wenn es einen Todesstern zu vergeben gäbe, der das Unternehmen sofort in den Bankrott treiben würde, die unzufriedenen Gäste würden ihn nutzen.

Vernichtendes Feedback hilft also niemandem, wenn man etwas verbessern will.


Aber wie sieht es im kreativen Bereich aus?

Wie holt man sich besseres Feedback?


Feedback bedeutet hier, dass man von anderen Menschen eine Rückmeldung zu seiner Arbeit bekommt. Das können Mentoren, Kunden, Vorgesetzte oder Kollegen sein. Dabei kann es um verschiedene Dinge gehen, die man an seiner Arbeit verbessern kann.


Feedback ist wichtig und bringt Energie in den kreativen Prozess. Wir können nicht alles selbst sehen und haben oft nicht genügend Abstand zu unseren eigenen kreativen Projekten. Manchmal hilft es, die Dinge eine Weile „liegen“ zu lassen und sie sich einige Tage später noch einmal anzuschauen. Oft verändert sich dadurch schon die eigene Wahrnehmung. Manchmal ist dafür aber keine Zeit oder man ist so verliebt in die eigene Arbeit, dass man blind für Schwachstellen ist.


Ungefragt führt Feedback oft zu Widerstand. Das ist ganz normale Reaktanz (jeder im Universum hat sie). "Wenn man die Leute nervös machen will, sagt man ihnen, dass sie bald ein Feedback bekommen werden" https://www.strategy-business.com/article/Using-Neuroscience-to-Make-Feedback-Work-and-Feel-Better





Was mich persönlich zum Beispiel am meisten stresst: Wenn ein Filmschnitt per Mail folgende Korrekturen erhält. So in etwa:


„Hier bitte eine Sekunde kürzen, den dritten Satz bitte rausnehmen und dann mit dem letzten Teil des Mittelteils weitermachen ... und dann die Szene vom Anfang. Musik etwas lauter und vielleicht ein anderes Lied? Das ist aber nur mein Feedback, das Team wird sich noch individuell dazu äußern“.

Das sind ja nun eigentlich total konkrete Anweisungen und man könnte glauben „wow, klasse Feedback, das ist mal auf den Punkt! Da mache ich mich gleich dran!“ – Aber das Problem ist, wenn man nicht gerade seinen 10. Hollywoodfilm gedreht hat, kann man keinen Film per Mail schneiden. Nope! Das könnte nicht mal ich mit meinem eigenen Film. Man muss das Zusammenspiel im Edling Programm sehen, hören, fühlen und ausprobieren.


Wie gehen Kreativschaffende am besten vor, wenn man sich einerseits keine Anweisungen diktieren lassen will, andererseits aber für den Prozess dringend Feedback braucht?



Man muss die richtigen Fragen stellen.


Die folgende Technik habe ich in einem Storywriting-Workshop gelernt und bin seitdem völlig von dieser Methode überzeugt.

Wir sollten verschiedene Texte schreiben. Dann mussten wir diese Texte vortragen und die anderen in der Gruppe haben zugehört und sich Notizen gemacht. Dann musste jedes Gruppenmitglied der Person, die den Text vorgelesen hat, zurückspiegeln, was sie von der Geschichte mitgenommen hat, ohne sie zu bewerten.


Also angenommen ich denke mir eine Geschichte, sagen wir mal sie heißt: „Am Kuchen gab’s nichts auszusetzen...“

Die Workshopteilnehmer in der Gruppe müssten mir jetzt Rückmelden, was sie verstanden haben. Einige würden vielleicht die Geschichte weitgehend richtig wiedergeben. Andere hätten vielleicht den Witz am Ende oder den Konflikt nicht verstanden und so weiter.


Für mich wäre dann klar gewesen, an welchen Stellen ich die kleine Geschichte noch optimieren muss, damit sie klar rüberkommt.

Ich hätte 10 Versionen meiner Geschichte von 10 Leuten in der Gruppe gehört und hätte dann entscheiden können, welche Teile funktionieren und welche nicht.


Das war für mich eine ganz logische Methode. Ich finde, diese Methode ist genau der richtige erste Schritt für alle Beteiligten in einem kreativen Prozess, Feedback zu geben.

Konkret: also erste wichtige Feedbackfragen an den Kunden zu einem kreativen Projekt wären zum Beispiel:


  • Beschreibe mir in deinen Worten, was du gerade gesehen hast.


  • Was hat es in dir ausgelöst? Beschreibe deine erste Emotion, was ist dir als erstes aufgefallen

  • Welches Element ist dir besonders in Erinnerung geblieben?


  • Gab es einen Moment, der dich überrascht oder berührt hat?

  • Was ist die Hauptaussage? Beschreibe sie mit eigenen Worten.

  • Was war für dich unklar oder hat Fragen aufgeworfen?

  • Wenn du eine Sache ändern könntest, was wäre das?


  • Was könnte uns helfen, unser Ziel noch besser zu erreichen?

  • Gibt es etwas, das du dir mehr gewünscht hättest?

  • Was glaubst du, war die Intention dahinter?

  • Wenn du es jemandem beschreiben müsstest, wie würdest du es erklären?



Schlechte Fragen an den Kunden sind zum Beispiel:

„Was könnte man besser machen? Hast du eine Idee?“

„Was hältst du davon?“

"Schau es dir an und gib mir Feedback"


Damit eine solche Feedbackrunde auch wirklich effektiv ist, sollte natürlich vor Projektbeginn ein "optimales Ziel" diagnostiziert werden. Das bedeutet, dass man sich im Idealfall schon im Vorfeld darüber im Klaren ist, was für den Auftraggeber ein erfolgreiches Projektziel ist.

Nur so kann man auch offene und ehrliche Feedbackrunden durchführen, weil man weiß, worüber man spricht, wenn man etwas verbessern möchte.


Dann sagt der Kunde vielleicht nicht: "Das Blau ist zu dunkel, machen Sie es blauer! Sondern: „Wie können wir das Design so gestalten, dass es unserem Ziel, auffällig und laut zu sein, besser entspricht?“



»Nach 3 Feedbackrunden ist Schluss mit Korrekturen! Oder sie kosten extra!« — ist keine gute Idee.


Eine Sache noch zum Schluss: Ich selbst habe noch nie Feedbackrunden begrenzt und empfehle das auch nicht.

Ich habe das Gefühl, dass es die Vertrauensbasis belastet. Wir wollen ja alle zum bestmöglichen Ziel kommen und wenn wir das Ergebnis vorher definiert haben, dann braucht man vielleicht gar nicht so viele Runden. Wenn man dem Kunden das Gefühl gibt, wir arbeiten so lange daran, bis es (von der Zieldefinition her) gut ist, dann geht man viel entspannter in die gemeinsamen Feedbackgespräche.


Eine vertragliche Beschränkung auf z.B. drei Feedbackrunden kann aus psychologischer Sicht paradoxerweise dazu führen, dass Kunden diese Runden tendenziell voll ausschöpfen – auch wenn im Einzelfall weniger notwendig gewesen wären. Zum Beispiel führt das Knappheitsprinzip dazu, dass jede einzelne Runde als wertvoll angesehen wird und nicht gerne „verschenkt“ wird, was dazu führt, dass Kunden alle drei Runden voll ausnutzen wollen, um den gebotenen Mehrwert zu erhalten. Das macht das Projekt bestimmt nicht besser.


Gute Feedback-Fragen aber schon! Los geht's!

Für die nächste Feedbackrunde habe ich ein kleines PDF erstellt, das Sie hier herunterladen können.





Ich hoffe, dieser diesmal sehr lange Blogbeitrag hat Ihnen einige neue Erkenntnisse gebracht. Feedback ist erwünscht! Sie wissen ja jetzt wie.


Beste Grüße und bis bald!

Oliver Rodrigues J.

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